Studio-Check: Camping Torre La Sal 2

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Seit drei Wochen befinde ich mit Frau und Kind und Yogamatte auf einem Road Trip durch Europa, von Berlin aus über Frankreich bis runter nach Spanien. Früher hätte man wohl Campingurlaub dazu gesagt, das klingt aber nicht annähernd so verwegen und romantisch. Ist es aber. Denn dieser Moment, wenn du morgens alleine am Strand auf der Matte bist und die Sonne sich über den Mittelmeerhorizont schiebt, ist einfach unbezahlbar. Das einzige, was mir hier fehlt, ist beim Yoga etwas Gesellschaft. Denn so sehr ich die Ruhe am Meer schätze, die Dynamik des Übens in der Gruppe ist einfach eine andere. Wie gut, dass hier auf dem Campingplatz auch Yogaklassen angeboten werden.

Das etwas andere Studio

Ein Campingplatz ist keine Yogaschule. Also wirklich nicht. Der „Camping Torre La Sal 2“ (übrigens direkt neben „1a Torre La Sal“) wird auf der einen Seite vom Strand begrenzt, auf der anderen von einem niemals fertig gestellten Ferienwohnungskomplex mit einer beeindruckenden Anzahl von Straßenlaternen, die imposant das Nichts beleuchten. Die Stellplätze auf dem Platz sind mit akkurat gestutzten Hecken („Man spricht Deutsch!“) voneinander getrennt und größtenteils mit blitzblank polierten Wohnmobilen und -wagen (inklusive allem, was der Markt an Zubehör hergibt) belegt. Dazwischen stehen die Duschhäuser, es gibt zwei Pools mit Kinderrutschen, Tennisplätze, ein Kunstrasenfußballfeld („Football Summer Camp“), einen Friseur, Waschautomaten und eine kleine Hütte, in der Spezialausrüstung zur fachgerechten Reinigung von Hunden (ans Münzgeld denken!) montiert ist. Wer keine Lust hat, seine Yogamatte am Sandstrand auszurollen, trägt sie zur Multifunktionssportfläche, wo auf einem schmalen Streifen Kunstrasen direkt hinter dem Hüpfburgen-Areal Kurse für Zumba, Pilates und eben auch Yoga angeboten werden.

Immer schön flexibel bleiben.
Immer schön flexibel bleiben.

Endlich mal wieder jung sein

Natürlich bin ich mir der Tatsache bewusst, dass mein Yoga-Umfeld in Berlin-Kreuzberg nicht repräsentativ für den Durchschnitt ist. Besonders nicht auf spanischen Campingplätzen in der Nebensaison. Vorsichtig formuliert sind die Gäste hier etwas älter („So günstig im September und dann auch noch mit Rentnerrabatt!“). Ich war also vorbereitet, als ich mich sieben Minuten zu früh (erst mal noch ein paar Minuten Savasana) zur 9-Uhr-Klasse einfand. Allerdings war ich nicht darauf vorbereitet, alleine dort zu sein. Also ganz alleine, auch ohne Yogalehrer. Egal, Geduld ist eine Yogi-Tugend. Gegen 9:05 trafen die anderen Schüler ein: Sieben Rentner aus den Niederlanden (sonnengegerbte Haut mit einem Hauch von – natürlich – Orange) und zwei (noch) berufstätige Damen aus Deutschland. Es war sogar ein weiterer Mann unter den Rentnern, der erst mal lässig ein paar Selfies mit den Damen knipste. Vom Yogalehrer immer noch nichts zu sehen.

Die etwas andere Yogaklasse

(Fast) pünktlich um 9:15 kam dann Eva, unsere Lehrerin. Von einer anderen Yogini erfuhr ich gleich, dass Eva das gesamte Kursprogramm auf dem Campingplatz leitet, dementsprechend sah sie auch topfit und braungebrannt aus. Leider konnte sie dafür fast kein Englisch oder gar Deutsch bzw. Niederländisch. Statt sich die Sportschuhe auszuziehen, was die ohnehin schon arg strapazierte Kunstrasenfläche geschont hätte, setzte sich Eva kurz vor uns auf den Boden und meinte, wir sollen erst mal etwas atmen („Inshale-Exhale“). Atmen geht immer, also los.

Während wir atmeten, ging Eva fünf Schritte beiseite um noch kurz zu telefonieren. Als sie zurück kam, zog sie auch die Schuhe aus, bereute es aber sofort, weil sie noch mal los musste, die Blöcke aus dem Schuppen holen. Dann ging es aber wirklich los. Eva unterrichtet auf dem Campingplatz Hatha-Yoga und konnte mich nach einem eher mittelguten Start dann doch noch für sich begeistern. Denn irgendwie hat sie es geschafft, alle Schüler so zu fordern, dass mir als Fortgeschrittenem nicht langweilig wurde, die Anfänger unter den Rentnern aber auch nicht total überfordert waren.

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Überhaupt die Renter: Ich habe „erst“ mit Mitte 30 (ist das schon die Midlife-Crisis?) mit dem Yoga begonnen und fühle mich nach einer 90-Minuten-Klasse Jivamukti Yoga manchmal wie ein unsportlicher, alter Mann. Deshalb habe ich allerhöchsten Respekt vor diesen Freaks, die mit Ende 60 anfangen, sich auf die Matte zu legen – weniger aus Langeweile, sondern aus Neugierde und weil sie endlich mal Zeit dafür haben. Wenn man mich fragt, wo ich mich in 30 Jahren sehe (ich hatte in den letzten Wochen einige Vorstellungsgespräche und wurde so etwas zum Glück nicht wirklich gefragt) würde ich sagen: Am Mittelmeer auf der Yogamatte.

Zurück zur Yogaklasse. Unsere Lehrerin Eva hatte für beinahe jede Asana eine vereinfachte Variante für die Neu-Yogis und wurde nicht müde, von eine Matte zur nächsten zu gehen und massiv zu assistieren. Und das war auch gut so. Da ich als erster vor Ort war, hatte ich einen Platz in der ersten Reihe und konnte nur hören, wie hinter mir ab und zu jemand umfiel. Häufig war es wohl „der andere Mann“ mit seiner tadellosen Golf- bzw. Campingplatzbräune. Tipp von mir: Während der Klasse keine Selfies machen.

Shavasana wird einfach nie langweilig.

This is not Berlin, Baby

Eine Yogaklasse auf dem Campingplatz (wahrscheinlich egal auf welchem) ist der ultimative Realitätscheck für alle Großstadtyogis, die – wie ich – meistens mit hippen jungen Menschen in einem Altbau-Loft Yoga praktizieren. Denn irgendwie geht es beim Yoga ja um mehr als ein schickes Ambiente, attraktive Menschen, vegane Rezepte und den nächsten Rucksacktrip nach Indien. Auch wenn diese Hatha-Klasse auf dem „Torre La Sal 2“ nicht das ist, was ich dauerhaft „mein“ Yoga nennen würde, war ich hinterher doch glücklich. Glücklich über die Eva, die sich nach langen Monaten mit wechselnden Rentnergruppen motivieren konnte, gut gelaunt eine fordernde Yogaklasse anzubieten und eifrig zu assistieren. Glücklich über die Rentner, die offensichtlich noch nicht sehr lange Yoga üben und trotzdem jede Menge Spaß dabei haben. Und glücklich über die Tatsache, dass ich unter freiem Himmel am Meer zusammen mit lieben Menschen Yoga üben konnte. Morgen früh geht es trotzdem wieder alleine an den Strand zum Sonnenaufgang. Namaste.

Camping Torre La Sal 2
Avenida L’Atall, 44
12595 – Ribera de Cabanes (Castellón)
Spanien

www.torrelasal2.com


5 responses to “Studio-Check: Camping Torre La Sal 2”

  1. Dana Avatar

    hahahha geil ich hätte so gerne mitgemacht!

    1. Yogadude Avatar
      Yogadude

      Das hätte in deinem strammen Yogasamstag gerade noch gefehlt. 🙃

  2. Franziska Avatar

    Ein sehr schöner und ehrlicher Bericht. Ich musste einige Male schön lachen.
    Vielen Dank dafür 😊

    1. Yogadude Avatar
      Yogadude

      Vielen Dank! Ich freue mich, wenn du dich freust. 🙏🏻

  3. […] langsam aber sicher länger. Ich besuche im Urlaub ja auch gerne mal eine Yogaklasse, nicht nur auf dem Campingplatz. Toll wäre es, wenn die Studios eigene Stempel vergeben würden, als Beweis, dass man tatsächlich […]